Julius hat geschrieben: ↑18.04.2020, 12:20
Irgendwann müssen Schulden auch zurück gezahlt werden,sonst leben wir alle in Griechenland. Dazu ist die schwarze Null schon wichtig.
Danach können ja wieder neue Schulden angehäuft werden u.das Spiel beginnt von neuem.
Das ist die allgemeine Meinung. Aber ist das überhaupt möglich????
Hier etwas zum nachdenken. Warum die schwarze Null Mist ist.
Eines vorweg. Ich kenne Menschen, die noch nie eine andere Partei als die CDU gewählt haben und noch nie ein anderes Auto als einen BMW besessen haben. Im Gegensatz dazu habe ich schon schwarz, rot, gelb und grün gewählt und fand früher Schäubles Sparkurs absolut richtig.
Wie konnte es nun passieren, dass ich heute eine gänzlich andere Meinung vertrete?
Irgendwann habe ich mir mal die Frage gestellt warum wir immer weiteres Wachstum brauchen. Für mein Gefühl wäre es kein Drama wenn es ein paar Jahre kein Wachstum gäbe, schließlich geht es den meisten Deutschen recht gut.
Dann war es mir unklar warum immer wieder in der Zeitung zu lesen ist, dass die Wirtschaft mittels Kreditvergabe angeschoben werden soll. Ich dachte immer die neuen Investitionen sollten aus angesparten Gewinnen erfolgen.
Schließlich hat mich irritiert, dass die Verschuldung aller Staaten exponentiell steigt. Ich hätte erwartet das während die Roten regieren die Verschuldung stark ansteigt und in Phasen schwarzer Regierungen wieder abnimmt. Das ist aber in keinem Land so.
Bevor wir uns an die Beantwortung dieser Fragen begeben müssen wir ein paar Begriffe klären. Hier geht es zunächst nur um das Grundverständnis, es werden bewußt noch nicht alle Aspekte eines Vorgangs erläutert. Aber die grundsätzlichen Vorgänge sollten klar werden.
1. Was ist Geld bzw. Zahlungsmittel
Das einzige gesetzliche Zahlungsmittel sind Scheine und Münzen.
Und was ist dann auf meinem Girokonto?
Beim Geld auf dem Konto handelt es sich um Buchgeld auch Giralgeld genannt. Eigentlich ist das gar kein Geld sondern es handelt sich nur um ein paar Nullen und Einsen im Bankcomputer. Dieses Geld existiert nur virtuell und besteht aus dem Versprechen der Bank dieses gegen echtes Geld also Scheine und Münzen umzutauschen. Dieser Umtausch geschieht z. B. durch Abhebung von Bargeld.
Jetzt gibt es nur ein kleines Problem. Es gibt ca. 12 mal soviel Giralgeld wie Bargeld. Wenn jetzt also alle Bankkunden ihr Geld abheben wollten und das Geld gleichmäßig verteilt würde, würde man für 100 € auf dem Konto nur etwas mehr als 8 € ausbezahlt bekommen. Die Regierung ist daher immer daran interessiert, dass die Kunden nicht das Vertrauen in die Banken verlieren und nicht zum Automaten rennen. Also werden Banken gerettet.
2. Geld leihen bzw. Geldschöpfung
Zwei Beispiele zu diesem Thema machen auch hier Unterschiede sichtbar.
Aus einem Oldtimermarkt finde ich einen günstigen Oldtimer den ich gerne kaufen möchte. Leider habe ich nicht genug Geld dabei. Mein Kumpel XX hat gerade ein Fahrzeug verkauft und leiht mir die notwendigen 10.000 € Bargeld.
Alternativ leihe ich mir die 10.000 € von der Bank. In beiden Fällen habe ich Geld geliehen und kann ich den Oldtimer bezahlen. Wo ist also der Unterschied? Im ersten Fall fehlt meinem Kumpel XX das Geld für eigene Anschaffungen.
Im zweiten Fall erzeugt die Bank einfach neue 10.000 € durch die Gutschrift auf meinem Bankkonto. Gleichzeitig wird ein Minus auf dem Konto der Bank erzeugt. Für das Verständnis wichtig ist zu verstehen das das Geld auf meinem Konto vor meinem Kreditantrag garnicht existiert hat.
Viele Leute glauben, dass Banken das Geld verleihen das andere Kunden als Einlagen angelegt haben. Wenn dies so wäre müsste bei der Kreditanfrage die erste Frage an die Bank lauten: können Sie mir 10.000 € leihen. Denn irgend eine Bank hat sicher mal alle Einlagen verliehen, könnte also gar keinen Kredit vergeben. Das man diese Frage nie stellen muss beweist, dass man grundsätzlich beliebige Mengen Geld bei der Bank leihen kann. Mindestreserve und andere Spielregeln vernachlässige ich hier bewusst.
3. Was ist Vermögen?
Im Beispiel unten könnte ein Bauer 12 Kühe haben und ein anderer erntet Getreide auf 12 Hektar. Da sich diese Wirtschaftsgüter nicht vergleichen und auch nicht problemlos gegen alles tauschen lassen bleibt nur die Möglichkeit das Geld als Vermögen zu betrachten.
4. Wie definiert man Wachstum
Wenn die Kühe des einen Bauern mehr Milch geben oder der andere Bauer mehr Getreide erntet hat dies keinen Einfluss auf das Wachstum. Oder habt ihr schon mal gehört, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland 12.000 Golf und 10.000 BMW betragen hat. Mit Wachstum ist die Steigerung der Geldmenge gemeint. Und wie entsteht neues Geld??? Bei der Kreditvergabe schöpfen bzw. schaffen die Banken neues Geld. Damit ist schon mal eine meiner Fragen beantwortet. Nur durch Kreditvergabe wird neues Geld und damit Wachstum erzeugt. Investitionen aus gespartem Vermögen bewirken hingegen im volkswirtschaftlichen Sinn kein Wachstum, wohl aber Gewinnsteigerungen des Unternehmens.
Jetzt machen wir mal ein kleines Gedankenexperiment. Wir stellen uns vor, dass wir auf einer kleinen Insel leben auf der noch Tauschhandel existiert. Jetzt kommt der erste Banker auf die Insel und überzeugt die Bewohner von der Sinnhaftigkeit seines Geldes. Jetzt kann der Fischer direkt Brot kaufen und muss nicht wie zuvor erst den Fisch gegen Eier tauschen, da der Bäcker keinen Fisch ist. Zu Beginn gibt der Banker dem Müller 1000 Taler Kredit zu 10% Zinsen. Der Müller hat jetzt mit Zinsen 1100 Taler Schulden bei der Bank. Er lässt sich vom Zimmermann ein neues Windrad bauen und gibt dem Zimmermann die 1000 Taler. Wenn wir uns jetzt die Vermögensverhältnisse auf der Insel anschauen stellen wir fest, dass der Müller 1100 Taler Schulden und der Zimmermann 1000 Taler Vermögen hat.
Wir merken uns: Die Schulden der Einen sind die Vermögen der Anderen.
Im Laufe des Jahres wird noch viel Handel auf Basis des Geldes getrieben und auch weiterhin getauscht. Am Jahresende will der Banker sein Geld zurück. Obwohl der Müller erfolgreich war und alles Geld wieder eingenommen hat, kann er den Kredit nicht zurückbezahlen. Denn der Schuld von 1100 Taler stehen nur 1000 Taler an realem Geld gegenüber.
Wir merken uns: Bei der Geldschöpfung wird das Geld für die notwendigen Zinsen nicht miterzeugt.
Schauen wir nochmal auf die Vermögen auf der Insel. Der Zimmermann hat sein zwischenzeitliches Vermögen von 1000 Taler durch ausgeben verloren. Der Müller hat trotz Einnahmen von 1000 Taler immer noch 100 Taler Schulden.
Das ist doch totaler Quatsch. Natürlich kann man Kredite zurückzahlen, passiert doch ständig, werden jetzt einige einwenden. Wie passt das zusammen?
Es ist eigentlich ganz simpel. Auch der Bauer ist von den Vorzügen des Geldes überzeugt und hat ebenfalls einen Kredit über 1000 Taler aufgenommen. Wenn es dem Müller jetzt gelingt weite 100 Taler einzunehmen kann er seinen Kredit vollständig tilgen. Aber was bedeutet das in Summe.
Es existieren real 2000 Taler die die Bank ausgegeben hat. Dem stehen Forderungen in Höhe von 2200 Taler gegenüber.
Wenn der Müller jetzt seinen Kredit mit 1100 Taler tilgen kann, so muss der Bauer einen Folgekredit in Höhe von 200 Taler (Schuld 1100 Taler - 900 Taler Vermögen) annehmen um seine Altschulden zu begleichen. In diesem Szenario hat niemand mehr Vermögen, da alles Geld wieder bei der Bank geendet ist.
Wir merken uns: Zur Rückzahlung der Schulden müssen immer wieder neue Kredite aufgenommen werden. Die Gesamtverschuldung steigt immer weiter.
Damit ist auch meine Frage warum wir ewiges Wachstum brauchen beantwortet.
Sollen jetzt noch wachsende Vermögen verbleiben muss die Gesamtverschuldung stetig weiter steigen.
Und die nächste Frage ist beantwortet.
Zusammenfassung der Erkenntnisse:
- Bei der Kreditvergabe / Geldschöpfung wird das Geld für die notwendigen Zinsen nicht miterzeugt.
- Die Schulden der Einen sind der Vermögen der Anderen. Die Summe der Schulden ist immer größer als die Summe der Vermögen.
- Zur Rückzahlung der Schulden müssen immer wieder neue Kredite aufgenommen werden. Die Gesamtverschuldung steigt immer weiter.
- Die Rückzahlung von Schulden vernichtet an anderer Stelle Vermögen, da die gesamte Geldmenge sinkt.
- Die Rückzahlung sämtlicher Schulden ist unmöglich und die Vermögen wären dann auch bei Null.
- Wachstum gibt es nur mit neuen Schulden.
Schauen wir mit diesem Wissen noch mal auf Griechenland. Das neu erzeugte Geld aus den Krediten wird zum großen Teil für den Einkauf von Wirtschaftsgütern auch aus Deutschland genutzt. Mit diesen Schulden werden also auch hier Arbeitsplätze gesichert. Das Griechenland die Schulden nicht vollständig zurückzahlen kann sollte zwischenzeitlich klar sein. Was gibt es jetzt für Möglichkeiten:
- Neue verbürgte Kredite
- Negative Zinsen
- Schuldenstreichnung
Bisher wurden Finanzkrisen immer durch noch höhere Kredite gelöst. Allerdings ist dies der Masse der Bürger nicht vermittelbar, da diese das System nicht verstanden haben und glauben es handelt sich um einen Vorgang wie im Punkt zwei: Autokauf mit geliehenem Bargeld. Aber im Gegensatz zu diesem Vorgang wird bei der Kreditvergabe nichts verliehen (würde beim Verleiher fehlen) sondern neu geschaffen. Aufgrund der Bilanzregeln fehlt dieses Geld aber den Banken.
Die Alternativen negative Zinsen und Schuldenstreichung werden ebensowenig akzeptiert. Bei negativen Zinsen verringert sich die gesamte Geldmenge. Es wird also irgendwo Vermögen vernichtet.
Würde man die Bilanzregelungen der Banken ändern, könnte man einen Schuldenschnitt ohne negative Auswirkungen vollziehen. Denn mit der Streichung von Schulden fehlt niemanden Geld, es müssen nur die Bilanzen angepasst werden. In jedem Fall wurde bei uns Wachstum, durch Bezahlung exportierter Güter, erzeugt, welches es ohne die Kreditvergabe nicht gegeben hätte. Im Fall des Oldtimerkauf mit Bargeld würde meinem Kumpel XX aber 10.000 € fehlen falls meine Schulden gestrichen würden. Ich hoffe der Unterschied ist klar.
Zurück zur schwarzen Null. Das Wachstum zieht trotz supergünstiger Zinsen nicht mehr so an wie früher. Woran liegt das?
Auch wenn die Kreditzinsen bei effektiv 0% lägen würde ein Unternehmender nur dann einen Kredit für neue Investitionen aufnehmen, wenn er sich eine Steigerung des Absatzes verspricht. Dazu müssten aber auch der Staat oder die privaten Verbraucher Kredite aufnehmen um mehr als bisher kaufen zu können. Die privaten Verbraucher die noch mehr Dinge wirklich benötigen, sind häufig nicht kreditwürdig. Die Anderen haben schon fast alles und tätigen Einkäufe aus Erspartem. Die Zeiten in denen ein erstes Auto oder Fernseher auf Kredit gekauft wurden sind lange vorbei. Hinzu kommt die Unsicherheit bei den Arbeitsplätzen. Jedes Jahr gehen zehntausende gut bezahlter Industriejobs ins Ausland oder werden durch Leiharbeiter oder Teilzeitkräfte ersetzt. Da die Regierung aufgrund des Dogmas - schwarze Null - auch kein Wachstum in Form von Geldmengenwachstum (Kreditaufnahme im Rahmen von Investitionsprogrammen) erzeugt kann das Wachstum nur noch aus dem Ausland kommen. Uups war da nicht was? Die Griechen würden gerne die Geldmenge durch neue Kredite vergrößern, aber wer will das verhindern? Genau wir, die wir davon profitieren. Schade das nicht mehr Menschen verstehen worum es geht. Aber schon Henry Ford soll vor knapp 100 Jahren gesagt haben: „Wenn die Masse der Menschen begreift wie das Geldsystem funktioniert haben wir morgen eine Revolution“. Berthold brecht hat es auch treffend formuliert: “Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“.
Auch wenn das hier schnell zusammengeschrieben ist und sicher noch besser hätte formuliert werden können, hoffe ich das der Eine oder Andere etwas zum Nachdenken gefunden hat. Es hilft ungemein mit Monopoly Spielgeld das Inselszenario mal durchzuspielen. Es ist unmöglich die Schulden wieder los zu werden, sie können nur anders verteilt werden. Eine zweite Insel mit gleicher Währung oder Fremdwährung kann EU und Euro simulieren. Unterschiedliche Produktivität führt zu unterschiedlichen Preisen. Wenn man dann auch noch den Bauernhof an die Börse bringt und Kursänderungen einbaut, stellt man schnell fest, dass an der Börse kein Wachstum erzeugt wird. Dieser Punkt volkswirtschaftlich also nur bedingt relevant ist.
Das Grundproblem des fehlenden Geldes für die Zinsen beschreibt die
Bundesbank so:
Wenn eine Geschäftsbank einen Kredit gewährt hat: Woher stammt das Geld für die Zinsen, die zusätzlich zur gewährten Kreditsumme zurückgezahlt werden müssen?
Bei der Geldschöpfung durch Kreditvergabe wird das Geld, das für die Zinszahlung benötigt wird, doch nicht mitgeschöpft.
Der Blick auf eine einzelne Kreditschöpfung greift zu kurz. In einer dynamischen Volkswirtschaft werden ständig Kredite vergeben bzw. getilgt und Vermögenswerte angekauft bzw. verkauft. Geldmenge und Realwirtschaft entwickeln sich dadurch im Idealfall gleichgerichtet. Fördern beispielsweise die Kredite das realwirtschaftliche Wachstum, dann können aus dem daraus entstehenden Einkommen Kredit und Zinsen zurückgezahlt werden.
So kann man die Wahrheit verschleiern.
Etwas ehrlicher ist schon die Beschreibung der
Geldschöpfung:
… Zahlt die Geschäftsbank einen Kredit der Zentralbank zurück, wird ein entsprechender Betrag von der Sichteinlage auf ihrem Zentralbankkonto abgebucht;
dieser Vorgang wird als Geldvernichtung bezeichnet…
Das gilt natürlich auch wenn ein Unternehmen oder eine Privatperson einen Kredit bei der Bank tilgt.
Vielleicht regt das ja jemanden an sich selber mal mit dem Thema intensiv zu beschäftigen. Bei mir haben einige Erkenntnisse zu einem fundamental anderen Politikverständnis geführt. Ich sehe im Gegensatz zu früher die Geld- und damit auch Wirtschaftspolitik unserer Regierung mittlerweile sehr kritisch. Das bedeutet leider nicht das die Vorschläge der Anderen grundsätzlich besser wären.
Gruß Berthold