Tabellen und so...

Hier gehören übergreifende Themen wie z. B. der Wartungsplan vor dem Winterschlaf hinein.

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hneuland
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Tabellen und so...

#1

Beitrag von hneuland »

tach Jungs,

werde - wie zuvor angekündigt - den Corona-Beitrag schließen. Es war wirklich alles gesagt. Und ob wir aktualisierte Sterbezahlen in einem Oldtimer-Forum brauchen, sei mal dahingestellt. Nun will ich die Thematik nicht unter einem anderen Titel fortsetzen. Doch haben mir einige Beiträge gezeigt, welche Faszination offenbar von Tabellen ausgeht. Dazu dieses neue Thema mit einem Beitrag, der nicht in den Kontext der Virusthematik gepasst hätte.
Schon seit geraumer Zeit sind ja die beliebten Sporttabellen über Bundesliga & Co weggefallen. Es wird so bald auch keine neuen geben, etwa über Olympia oder Europameisterschaften. Tabellen in allen möglichen Formen sind Bestandteil unseres Lebensalltags, ob Polit-Barometer, Aktienkurse, Insektenpopulation oder Wetter - alles schön übersichtlich in Zahlen. Fast jeder ist geneigt, solchen Zahlen Glauben zu schenken. Beim Statistischen Bundesamt etwa gibt es Tausende von Tabellen aller Art.
Da ist für Manchen die Idee nicht weit, selber Tabellen zu kreieren. Das Office-Programm Excel bietet dazu phantastische Möglichkeiten. Klaus (Perseus) hat diese Spielwiese beim Corona-Thema ja für sich entdeckt. Nicht wirklich überraschend sind auch dort - wie in fast allen internationalen Tabellen - die USA Tabellenführer…

Es kann spannend sein, eigene Tabellen zu erschaffen. Woher man dazu die Zahlen nimmt, ist dann eine Frage des Einfallsreichtums. Sie können, müssen es aber nicht, durchaus realistisch sein. Beginnend mit einem persönlichen Beispiel möchte ich die Tabellenthematik hier ein wenig behandeln. Als Junge hatte ich in den frühen 1950er Jahren einen etwa 1/2stündigen Fußweg zur Schule. Schulbusse gab’s damals nicht, wahlweise konnte ich einen Weg über Land oder über die B228 wählen. Zum Zeitvertreib zählte ich Autos der verschiedenen Marken. Anfangs nur so, bis mir die Idee kam verschiedene Marken gegeneinander zu stellen - etwa Borgward gegen Adler. Ich schuf also eine Liste der damals gängigen Marken und gestaltete einen Spiel-(Zähl-)Plan, sogar mit Vor- und Rückspielen. An Details, etwa wer gewonnen hatte, erinnere ich mich natürlich nicht mehr (meistens war es wohl VW…. ), doch mein Schulweg wurde oft spannend. Natürlich favorisierte ich die kleineren Marken. Manchmal ging ich sogar langsamer um die Ergebnisse evtl. zu beeinflussen, etwa wenn DKW nur knapp gegen Mercedes zurück lag. Gefälscht habe ich die Zahlen (natürlich) nicht, nur durch Umwege ein wenig frisiert. Wenn eine kleine Marke etwa gegen VW oder Opel nur knapp zurücklag, schlug ich einen Haken und zählte den geparkten Borgward doppelt…
Das ging eine ganze Zeitlang so, die Ergebnisse hielt ich zunächst im Kopf und trug sie zu Hause auf einem Blatt Papier in eine selbstgemachte Tabelle. Im Laufe der Zeit gelang es mir, auf einem Weg einen kompletten „Spieltag“ mit mehreren Begegnungen zu erfassen. Wenn ich dann, etwa im Laufe von 2 Wochen mal Jeden gegen Jeden gezählt hatte, gab es einen Meister. Der wurde im Punkteverfahren - wie beim Fußball 2:0 oder 1:1 beim Unentschieden - ermittelt. Auch die jeweiligen Spielergebnisse, etwa 9 Lloyd : 15 Ford hielt ich fest und addierte sie quasi als Torwertung. Meine Kopfrechenfähigkeiten entwickelten sich deutlich. Davon profitierte sogar mein Mathe-Ergebnis in der Schule.

Weshalb schreibe ich sowas? Die meisten Menschen - glücklicherweise nicht alle - strukturieren ihr Leben nach Zahlen. In der Regel sind es Tabellen, die einen schnellen Überblick gewähren. Deshalb werden Tabellen sehr oft auch manipulativ benutzt. Schon die Gestaltung der Tabelle (welche Werte nehme ich auf?) beeinflusst die Aussagekraft enorm. Eine simple Wetterstatistik etwa hat eine total andere Aussagekraft, wenn man anstelle der Sommerwerte den Winter zugrundelegt. Oder Plus- bzw. Minuswerte als Hauptkriterium verwendet. Darüber wissen Statistiker und (viele) Volkswirte Bescheid, man lernt das im Mathematikstudium. In der Sozialwissenschaft, beim Marketing oder in der Politik lernt man, damit umzugehen. Welche Statistik mit welchen Werten braucht man, um eine gewünschte Wirkung zu erreichen? Wer die fertige Statistik dann liest kennt die Zielsetzung meist nicht, manchmal lässt sie sich erahnen wenn der Urheber bekannt ist.

Aus diesen Gründen - seid gegenüber einer jeden Statistik skeptisch und betrachtet Tabellen stets kritisch. Nur ein kleiner (Druck-)Fehler kann eine Wertung beeinflussen. Beachte stets den Leitsatz: don't trust any statistics that you didn't fake yourself

bleibt gesund und auf bald
Horst
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Re: Tabellen und so...

#2

Beitrag von Garfield »

Ich habe erst hier davon gelesen, dass der Thread Covid-19 wohl doch nicht irrtümlich geschlossen wurde, nachdem ich ihn wieder geöffnet habe.
Ich finde es auch nicht in Ordnung hier eine derartige Zensur einzuführen. Das Thema bewegt, und wer keine Lust hat sich damit oder mit anderen Meinungen zu befassen, der liest dort einfach nicht - so wie ich das mit allen anderen Themen, die mich nicht interessieren, auch mache.
Bislang hat sich dort jeder benommen, niemand war beleidigend, und von daher denke ich kann dort auch weiter zivilisiert diskutiert werden. Mit oder ohne Tabellen.

Gruß, Peter
Der Westfale versteht nichts, guckt aber interessiert.
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Re: Tabellen und so...

#3

Beitrag von Berthold »

Horst hat völlig recht. Man sollte mit einem gewissen Misstrauen an Statistiken rangehen. Ich selber war einige Zeit für die Erstellung von Service-Statistiken zuständig. Es ist eigentlich immer gelungen das "gewünschte Ergebnis" zu produzieren. Hierzu benutzt man Filter die unsichere Daten rausfiltern, wählt den Maßstab passend zum Ziel, ... Linear oder logaritmisch macht schon einen großen Unterschied. Ganz wichtig auch die Kurve für die Vergleichszahlen (die man ja auch entsprechend bearbeiten kann). Ich beschreibe hier keine Verfälschungen, sondern das was aus vorhandenem Zahlenmaterial gemacht werden kann.
Die meisten Leute und speziell Vorgesetzte möchten sich nicht intensiv mit Zahlen auseinandersetzen und wollen daher lieber Kurven sehen. Ich habe mir angewöhnt zunächst nur die Zahlen zu betrachten und mich zu fragen wie diese wohl zusammenhängen können. Das gibt ein viel besseres Gefühl für Zusammenhänge als die spätere Kurve. Zumal diese ohne Datenfälschung an die Ziele angepasst werden kann.

Um einen kleinen Bogen zum Ursprungsthema zu ziehen. Die Werte in einer Stadt sind alles andere als im Rahmen. Das wird dann statisch durch Vergleich mit dem ganzen dünn besiedelten Land glattgebügelt. Diese Zahl vergleicht man dann einfach mit einem anderen Land in dem ein Großteil der Bevölkerung in Ballungsräumen lebt und schon hat man eine Argumentationsgrundlage geschaffen, die mit großer Wahrscheinlichkeit, in die Irre führt.

In dem Sinne, bildet euch eine eigene Meinung und lasst euch nicht von irgendwelchen Kurven beeindrucken. Und ganz wichtig: Zahlen für die keine ansatzweisen Belege erkennbar sind sind meistens falsch.

Gruß Berthold
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Re: Tabellen und so...

#4

Beitrag von hneuland »

natürlich hat dieses Thema einen Bezug zu dem von mir geschlossenen und von Garfield wieder geöffneten Covid-19 Thema. Dazu aber an dieser Stelle keinen weiteren Kommentar. Mag ein Jeder seine Meinung dazu bilden ob das Zensur ist, wie Peter meint...
Zu Bertholds Erklärungen aber noch eine Zugabe, die sich auch grundsätzlich auf die Behandlung von Statistiken und Tabellen bezieht.

Sicher, eine Ziffer ist eine absolute Größe. Fügt man mehrere zusammen, erhält man eine Zahl. Diese hat aber nur eine relative Wertaussage. Um deren wirklichen Wert zu erkennen, muss man aber nicht unbedingt Albert Einstein und seine Relativitätstheorie bemühen.
Dazu nur drei Beispiele:
a) 1 Milliarde ist eine Riesensumme - in Euro; 1923 gab’s dafür grade mal ½ Pfund Butter zu kaufen…
b) 5 Eimer Wasser sind ‚ne Menge Zeug wenn du sie aus der Badewanne schöpfst. Man sieht deutlich den sinkenden Wasserstand. Mach das aber mal in der Nordsee, den Pegel von Ebbe oder Flut beeinflusst das nicht
c) 10000 Tote beeindrucken wenig, wenn man sie ins Verhältnis zur deutschen Einwohnerzahl setzt - wie Klaus (Perseus) das in seiner Tabelle gemacht hatte. Prozentual macht das 0,01 % aus - unbedeutend. In einer 5köpfigen Familie „macht“ 1 Toter hingegen schon 20%, und hinterfragt mal die Bedeutung….

Deshalb sind Statistiken und Tabellen kein Wertmaßstab an sich. Bestenfalls ein Anhaltspunkt für gute Entscheidungen. Im schlechteren Fall eine Basis für falsche Argumente. Und mal ganz abgesehen davon, ob die einzelnen Tabellen-Bestandteile korrekt sind. In den USA kann ein gewisser Mr. Trump aktuell besonders gut mit statistischen Zahlen umgehen - nur 50000 Tote bestätigen seine großartige Regierungsleistung.

bleibt gesund und immer skeptisch gegenüber Tabellen
Horst
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